Geschichte. Erste Gemeinde

Leider gibt es bis zum 12. Jahrhundert keine Zeugnisse und Dokumente vom Leben der Juden in Augsburg. Das erste Dokument vom Leben der Juden in Augsburg – die Aufzeichnung im Gebetbuch des Rabbiners R. Jehuda Hachasid aus Regensburg – wird auf das Jahr 1200 datiert. 1231 wird der jüdische Friedhof, einige Jahre später das Rabbinergericht erwähnt. 1250 wird in den städtischen Büchern zum ersten Mal „Die jüdische Kommune“ erwähnt. Dieses Jahr kann man als den Beginn der offiziellen Existenz einer jüdischen Gemeinde in Augsburg bezeichnen.

In Dokumenten von 1361 wird die Judengasse – der Bezirk, in dem die Juden wohnten – erwähnt. Er befand sich nördlich der heutigen Karlstrasse, zwischen Fuggerstrasse und Karolinenstrasse. Das Zentrum der Gemeinde waren „das jüdische Haus“ (Domus Judaeorum) mit der Synagoge und die öffentlichen Gebäude, der „Judenkirchhof“ und die Wohngebäude. Im Hof richteten sich „Das Gericht der Rabbiner“ und „Das Haus des Lernens“ (die Schule) ein. Fleischer und Bäcker verkauften koschere Produkte. Es gab einen Arzt und einen Apotheker. 1346 ist in einem Juden gehörenden Haus auch eine Apotheke entstanden. Gegen Ende des XIII. Jahrhundertes hat die Gemeinde „Das Judenbad“ oder Badhaus und „Das Tanzhaus“ gebaut. 1298 wurde mit Geld der Juden der Abschnitt der Stadtmauer gebaut, der „Judenwall“ genannt wurde. Der jüdische Friedhof lag nach Dokumenten von 1258 vor der Stadt in der Nähe der Heilig-Kreuz-Kirche, gegenüber der Richtstätte.

Die Blüte der Gemeinde im 14. Jahrhundert hatte mehrere Gründe. Zu Beginn des zweiten Jahrtausends waren die Juden praktisch die einzigen Andersgläubigen im christlichen Mitteleuropa und auch der Teil der Bevölkerung mit den wenigsten Rechten (1236 hat Kaiser Friedrich II. die Juden als „Kaiserliche Kammerknechte“ oder auch als „Sklaven der Krone“ bezeichnet). Als Kaiser Karl VI. 1335 den Juden auch in anderen Gebieten der Stadt das Wohnrecht verliehen hatte (Judenberg), standen die hier angesiedelten Juden unter städtischer Herrschaft (in der ursprünglichen Siedlung unterstanden sie dem Bischof). Ungeachtet der niedrigen Stellung der Juden in der Gesellschaft besaß das Judentum Anziehungskraft. Es ist zum Beispiel bekannt, dass der Christ Avraam aus Augsburg zum Judentum übergetreten ist, deswegen gefoltert und am 21. November 1265 hingerichtet wurde. (Proselitismus war zu dieser Zeit im Judentum nicht erlaubt.)

In der ersten Zeit lag die Hauptbeschäftigung der Juden in Handwerk und Handel. Durch die Verbindungen mit Gemeinden anderer Städte und Länder verfügten sie über bessere Bildung (im Vergleich zu ihrer Umgebung), führten ein bescheideneres Leben, begnügten sich mit kleinerem Einkommen und verbilligten die Produktion. Früher als andere verstanden sie, dass schneller Umsatz mit niedrigem Gewinn mehr Erfolg versprach, als ein größerer Gewinn bei schleppendem Umsatz. Die Erfolge haben zu einem gewissen Einfluss der „jüdischen Kommune“ in der Stadt geführt (die Gemeinde wurde in den städtischen Steuerbüchern geführt). Dazu trug die Einführung der Stadtrechte von 1276 (als eine der ersten Städte Deutschlands) nicht wenig bei. In ihnen waren die Hauptrechte und die Pflichten aller Schichten der Bevölkerung festgelegt.

In 14. Jahrhundert begann sich die Lage der jüdischen Gemeinde zu verschlechtern. Nachdem nach 1368 die Zünfte der christlichen Handwerker und Kaufleute Macht bekamen und keine Konkurrenz wollten, planten sie, die Konkurrenz auszuschalten. Auf ihre Forderungen hin hatten die kirchlichen und weltlichen Herrscher den Juden die Beschäftigung mit dem Handwerk verboten, ihnen das Recht entzogen, Grund zu besitzen und sich mit dem Weinbau zu beschäftigen. Ein Hauptgebiet der Tätigkeit der Juden wurde deshalb der gesetzlich erlaubte Geldhandel. Dazu trugen die religiösen Gebote und die weltliche Gesetzgebung bedeutend bei, nach denen es Christen verboten war, Glaubensgenossen Geld gegen Zins zu leihen. In Europa sind mit den „Schuldscheinen“ die ersten Dokumente entstanden, die das neue Niveau der Handelsbeziehungen regelten. Die Wechsel, die Banknoten, alle Formen des modernen Geldes sind Varianten der Entwicklung dieser Schuldscheine.

Die dem Juden gegebene Quittung sicherte das Recht auf das Erhalten der Schuld bei der Übergabe sogar bei Christen. Den Juden wurde erlaubt, die Unterschrift der Christen zu bekommen, später konnten alle eine solche Bescheinigung benutzen. Da sie keine andere Möglichkeit zur Existenzsicherung hatten, entsagten einige Juden allem, lebten litten unter Hunger (besonders in der ersten Zeit oder nach Pogromen), um den Vertretern der verarmten Aristokratie oder den Handwerkern kleine Summen leihen zu können. Ihre Ehrlichkeit in Geldangelegenheiten, bei denen sie (im Vergleich zu den das Verbot verletzenden Christen) normalerweise nur kleine Zinssätze verlangten, haben zu einer führenden Position der Juden in Finanzgeschäften geführt. Später sind die reichen Familien (z.B. Lamb, Judlin) entstanden, die sogar dem Herzog Kredit gewährten. Auch der Stadtrat war von Zeit zu Zeit Schuldner bei jüdischen Familien.

In den erhalten gebliebenen städtischen Büchern ist die Höhe der Steuern, welche die Juden zu entrichten hatten, aufgezeichnet. Im Vergleich zur übrigen Bevölkerung zahlte jeder Jude der Stadt vielfach höhere Abgaben. Außer der Eigentumssteuer musste man den kirchlichen „Zehnten“, Gebühren für den Stadtrat und viele weitere Beiträge zahlen. Die Gemeinde musste höhere Summen als die anderen Bürger an den Kaiser und die Fürsten bezahlen. Nicht nur die kaiserlichen in den städtischen Büchern erwähnten Steuern und Abgaben waren viel höher, als die Zahlungen anderer Bevölkerungsgruppen. Oft wurden außerordentliche Steuern, die manchmal nicht ganz gerecht waren, erhoben. Zum Beispiel: die Krönungssteuer (ein Viertel bis ein Drittel des Wertes des Eigentums), die Militärsteuer mit bis zu 10 % des Wertes des Eigentums (1396, 1422, 1425, 1427 und in weiteren Jahren). Die Stadt war daran interessiert, die Juden nicht finanziell auszubluten. Manchmal schützten die städtischen Autoritäten sogar die Juden vor den kaiserlichen Ansprüchen, aber das war meistens vergeblich.

Die Schuldner verbreiteten Gerüchte über den Reichtum der Juden, und erklärten den Kampf gegen die Juden als „heilige Pflicht“. Um sich selbst besser darzustellen und für die Einheit der Gläubigen der Kirche war es wünschenswert, dass der Feind einen anderen Glauben hatte. Stimmung gegen die Fremden und der Geldverleih waren die Ursache vieler tragischer Ereignisse in der mittelalterlichen Geschichte Europas. Ziel der Pogrome war die Vernichtung der Schuldverschreibungen. Ein Chronist jener Zeit schreibt richtig: „…wurde das Geld ein Grund für Morde und die Verbrennung der Juden“.

Unter der Unmenge von Beispielen ist „Der jüdische Brand“ von 1348 besonders tragisch. In Europa tobte die Pest. In Augsburg wurden 200 Juden zum Tod durch Verbrennen verurteilt (130 Menschen wurden ermordet). Die Gemeinde wurde zerschlagen, aber wenige Wochen nach dem Dekret des Kaisers Karl IV. entstand sie von neuem.

Mitte des 14. Jahrhunderts hat die lange dauernde Periode der Verfolgungen der Juden in Europa und in Deutschland ihren Höhepunkt erreicht. Eine Reihe unfruchtbarer Jahre (nach Untersuchungen eine Folge des Temperaturrückgangs), Kriege, Epidemien und einige andere Faktoren waren Gründe für den ökonomischen Rückschritt. Wie üblich mussten die Juden als Sündenböcke herhalten. Der Stadtrat Augsburg übernahm eine Reihe von Verordnungen, die die Rechte der Juden einschränkten. 1434 wurde zum Beispiel den Juden der Stadt Augsburg (eine der ersten Städte in Deutschland) befohlen, „einen gelben Ring von der Breite eines Daumens“ an der Kleidung zu tragen. Im Juli 1438 hat der Stadtrat einstimmig entschieden, die Juden aus Augsburg zu verjagen. Es wurde ein Recht auf Aufschub für 2 Jahre zur Regelung der finanziellen Angelegenheiten und zur Veräußerung des Eigentums gewährt. Aus der Stadt sind etwa 300 Juden ausgereist. Der Besitz der „jüdischen Kommune“ – die Gebäude, der Friedhof und alles Übrige ist in das Eigentum der Stadt übergegangen.

Das Mittelalter war eine grausame Zeit. Aber die Historiker nehmen an, dass die Beziehung zu den Juden in Augsburg etwas besser war, als in anderen deutschen Städten. Dr. Grünfeld schrieb 1917, dass in den die Juden betreffenden Dekreten des Stadtrates „manchmal sogar Wohlwollen, eine gewisse Anteilnahme und ein Gefühl der Ehrlichkeit“ zu spüren waren. Dies wird zum Beispiel durch die folgenden Dinge bestätigt: es fehlen Erwähnungen von Verfolgungen in der Zeit der Kreuzzüge; 1298 hat der Stadtrat von Augsburg Gewalt gegen die Juden verhindert und hat sie geschützt (die blutigen Rindfleisch – Unruhen); in Augsburg gab es kein Ghetto – in den jüdischen Vierteln durften Christen wohnen, einige Juden wohnten in der Umgebung der Christen; sogar bei der Vertreibung gab es die Möglichkeit der Liquidation des Eigentums und ein Teil der bezahlten Steuern wurde erstattet.

 

Die Erste Gemeinde hat offiziell 189 Jahre lang existiert.