Die Wiederherstellung der Synagoge. Die vom schwarzen Ruß überzogenen Räume der Synagoge wurden zunächst als Unterkunft für durchreisende Truppentransporte verwendet, später wurden im großen Saal die Kulissen des Stadttheaters aufbewahrt (die Sitzreihen waren verbrannt). In der Kuppel richtete sich ein Beobachtungsstand der Luftabwehr ein. Die Räume der Gemeinde wurden von der Luftwaffe als Verwaltungsräume verwendet. In den leer stehenden Räumen nisteten Tauben. Der Schmutz war unbeschreiblich. Alle Räume brauchten umfassende Reparaturen. Der erste Kostenplan zur Durchführung der Arbeiten wurde nach der Wiederherstellung des Gebäudes im Jahr 1947 aufgestellt. Der Nachkriegsruin und die Armut der Gemeinde haben es nicht sofort erlaubt, mit den Arbeiten zu beginnen. Übrigens haben die großen Gemeinden Deutschlands begonnen, die Synagogen und die Gemeindezentren hauptsächlich nach 1980 zu bauen, es war die Arbeit der Juden der zweiten Generation.
Während der Bombardierungen wurde ein Großteil der Gebäude in der Stadt zerstört. Die am wenigsten beschädigten Zimmer der Synagoge wurden 1958 für kulturelle Zwecke verwendet: der Kindergarten, die Klassen der Schule, die Räume für die Kinderbetreuung und weitere Räumlichkeiten.
Das erste große Bauprojekt der Gemeinde war 1961 – 1962 das Gebäude für Trauerzeremonien auf dem jüdischen Friedhof (das alte Gebäude war während der Bombenangriffe zerstört worden). 1982 wurde auf dem Friedhof eine riesige steinerne Menora, das älteste Symbol des Judentums, errichtet.
Es begannen die Arbeiten zur Wiederherstellung des kleinen Saals der Synagoge, der am 15. Dezember 1963, am Feiertag Chanukka, feierlich eingeweiht wurde. Bis jetzt wird hier die Mehrzahl der Gebete durchgeführt.
Die Arbeiten zur Wiederherstellung des großen Saales und der ganzen Gebäude begannen 1967 und dauerten 18 Jahre. Ein wesentlicher Organisator war Julius Spokojny. 1985 feierte Augsburg das 2000-jährige Stadtjubiläum. Zu diesem Zeitpunkt waren der große Saal und die übrigen Räume wiederhergestellt und hatten die moderne gegenwärtige Gestalt angenommen. Die Reparatur und die Ausstattung kosteten über 4,2 Millionen D-Mark. Am 1. September 1985 (15. Elul 5745 nach dem jüdischen Kalender) fand die große Feier, die dem Abschluss der Wiederherstellung und der Einweihung des großen Saales der Synagoge gewidmet war, und die Gründung des „Jüdischen Kulturmuseum Augsburg-Schwaben“ statt. Bei den Feierlichkeiten waren 300 Gemeindemitglieder anwesend, daneben über 800 Gäste aus 16 europäischen Ländern und von allen Kontinenten. Unter den geladenen Gästen befanden sich auch 150 Juden, die bis zur Machtübernahme durch die Nazis in Augsburg und Schwaben gelebt und die tragische Zeit überstanden hatten. Der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl hat die wiederhergestellte Synagoge ein Symbol der Versöhnung genannt und in seiner Begrüßung geschrieben: die Bundesrepublik Deutschland „will ein neues Vaterland und Heimat“ für die jüdischen Mitbürger werden. Die deutsche Post hat zum Gedenken an das Ereignis eine Sondermarke herausgegeben und einen Ersttagsbrief, der einen Sonderstempel mit der Aufschrift: „Zur Wiedereinweihung der Synagogen, die am 9. November 1938 zerstört wurde“ trug, auf den Markt gebracht.
Das Gebäude ist eine der schönsten Synagogen Deutschlands mit der ursprünglichen Architektur und bis heute eine Zierde für die Stadt. 2005 wurden die Räume des Museums für jüdische Kultur, das große Aufklärungsarbeit leistet, vollständig erneuert.
Die neue Emigration und die Gemeinde heute. Seit 1987 ist die damals 247 Mitglieder zählende Gemeinde wieder aufgelebt und hat eine würdige Stelle im Leben der Stadt eingenommen. Das verdankt sie den Bemühungen vieler Mitglieder und in erster Linie dem langjährigen Vorstandsvorsitzenden Senator Julius Spokojny. Nach seinem Tod im Jahr 1996 wurde Dr. Iradj Neman, der aus dem Iran nach Deutschland gekommen war, der neue Vorsitzende. Die Gemeinde zählte über 300 Mitglieder. Das religiöse Leben hat 1996 der Rabbiner R. Unger geleitet. Die Mehrheit der „alten“ Gemeindemitglieder, wohnte bereits seit über zwanzig Jahren in Augsburg. Fast alle stammten aus den Ländern Osteuropas (Polen, Tschechoslowakei, Rumänien etc.). Seit der Kindheit in der orthodoxen Tradition erzogen, sahen sie in der Gemeinde eine religiöse Gesellschaft.
Ab 1996 ist die Gemeinde zweimal durch Emigration der Juden aus den Ländern der ehemaligen UdSSR gewachsen. Die Zusammensetzung aller Gemeinden Deutschlands hat sich geändert: 1990 bildeten die Neuankömmlinge 27 % und 2003 97,5 % der Gemeindemitglieder. Einige der schon länger ansässigen Juden, einschließlich des Vorstandes, verhielten sich den Neuankömmlingen gegenüber nicht sehr freundlich. Für sie war es nicht leicht, das ihnen fremde Leben und die unbekannten religiösen Bräuche der „Neuen“, zu akzeptieren und zu verstehen. Ein Höhepunkt der Streitigkeiten war der Vorstandsbeschluss, dass niemand ein Wahlrecht in der Gemeinde habe, der weniger als 2 Jahre in der Gemeinde lebe. Deshalb haben die Herren A. Barasch, A. Levin und G. Sasonko einen Antrag an das Arbitragegericht geschrieben. Nach dem Urteil ist Dr. Neman zurückgetreten, und die Wahlen zum Vorstand führte der vom Landesverband ernannte Kommissar Berkal im Oktober 1999 durch.
Von 5 Mitgliedern der neuen Leitung sind zwei (A. Levin und G. Sasonko) in den letzten Jahren hier angekommen. Die Vorsitzende Frau S. Bergerhausen konnte keine würdige und friedliche Entwicklung der Gemeinde organisieren. In den nachfolgenden Zusammensetzungen kam nur ein Mitglied des Vorstandes von den „Ureinwohnern“. Leider sind an der Gemeinde die „Kinderkrankheiten“, welche für die Mehrheit der jüdischen Gemeinden in Deutschland in den letzten Jahrzehnten charakteristisch waren, nicht vorbeigegangen. Dazu kamen der Kampf um die Macht, und das nicht vorbildliche Verhalten einiger Vorsitzender, und die Einsetzung einer kommissarischen Leitung und die nicht kompetente Führung, die beinahe zum Finanzbankrott führte. In einer sich entwickelnden Gesellschaft kann nicht alles glatt gehen.
Ende 2001 hatte die Gemeinde das Niveau vom Anfang der 30er Jahre erreicht und zählte 1243 Mitglieder. Davon lebten nur 83 Menschen 20 Jahre und länger in Deutschland. Im November 2001 fanden die nächsten Neuwahlen zum Vorstand statt. Die neuen Leute (der Vorsitzende war Dr. M. Worm) haben aktiv damit begonnen, Ordnung zu schaffen, was nicht allen gefallen hat. Im April 2002 erklärte das jüdische Gericht Bayerns die Wahlen „aus Mangel an Kabinen zur geheimen Abstimmung“ für ungültig. Der Vorstand wurde abgesetzt. Die Aktivität der Gemeinde war für längere Zeit praktisch gelähmt. Ein schwerer Schlag war die Zerstörung der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen – die praktische Liquidation der Ausbildung und der Hinführung der Kinder zum Judentum. Wieder begann ein schwerer und langwieriger Kampf. Die Aktivität vieler Gemeindemitglieder (A. Levin, L. Ukelson und anderer) hat dazu geführt, dass nach Beschluss des jüdischen Gerichtes beim ZdJ die demokratischen Wahlen zum Vorstand im März 2003 durchgeführt wurden. Als Vorsitzender wurde Dr. M. Worm wiedergewählt. Die Gemeinde ist merklich aufgelebt. Jugend- und Kulturzentrum nahmen die Arbeit auf. Nach einem Beschluss der Vollversammlung ist der orthodoxe Rabbiner R. Unger, der Probleme mit der Mehrzahl der Mitglieder hatte, von der Gemeinde entlassen worden. Die Leitung des religiösen Lebens hat der Rabbiner Dr. Henry G. Brandt, Vorsitzender der allgemeinen liberalen Rabbinerkonferenz Deutschlands, Vorsitzender des jüdischen religiösen Gerichtes (Beth Din), Inhaber vieler Ehrentitel und Auszeichnungen übernommen. Wie schon 100 Jahre zuvor ist der Übergang zum reformierten Judentum ohne Probleme vollzogen worden.
Nach den Wahlen von 2003 hat die Inkompetenz der Führung (der zweiten Vorsitzenden, später Vorsitzenden des Vorstandes Frau D. Ivleva) die Gemeinde in den finanziellen Bankrott geführt. Im Frühjahr 2005 wurde A. Mazo Vorstandsvorsitzender. Es begann ein komplizierter Prozess zur Überwindung der finanziellen Probleme und der Schwierigkeiten in der Verwaltung.
In den letzten Jahren hat sich die Lage der Gemeinde stabilisiert. Regelmäßig werden G-ttesdienste durchgeführt, die jüdischen Feiertage werden in der einzigen aktiven Synagoge Schwabens begangen. Zu Kabbalat Schabbat versammeln sich soviel Menschen, dass man oft den zweiten Raum des kleinen Saals benutzen muss. Man kann jüdische Traditionen und Hebräisch lernen und auch den Lesesaal mit religiöser Literatur besuchen.
Die Sozialabteilung hilft Neuankömmlingen bei Kontakten mit offiziellen Stellen. Das Hilfszentrum unterstützt Rentner und Invaliden, begleitet sie zu Ärzten und hilft bei vielen Problemen. Die Integrationsabteilung macht sich viel Arbeit damit, den Neuankömmlingen die Anpassung zu erleichtern. In der Gemeinde arbeitet die Sonntagsschule, es gibt Deutschkurse, eine Computerklasse, eine Bibliothek, den Jiddischklub, den Veteranenklub, den Schachklub, ein „Lesecafé“, eine Gesundheitsgruppe und anderes.
Das Gebäude für Trauerzeremonien auf dem Friedhof (Haunstetterstraße) wurde repariert. Es ist nicht wieder zu erkennen und hat das frühere Erscheinungsbild des Friedhofes verändert.
Vertreter der Gemeinde nehmen am kulturellen Leben der Stadt teil. Viele Projekte wurden verwirklicht. Erfreulich ist, dass viel Arbeit in die Kinder investiert wird, die ja die Zukunft der Gemeinde sind. Seit 2005 erscheint die monatliche Zeitung der Gemeinde „Anzeiger“ (Auflage 300 – 400 Exemplare). Seit 2007 kommt der Kalender der Gemeinde mit der Zeit zum Anzünden der Shabatt – Kerzen für Augsburg heraus. 2008 ist eine Sammlung von Artikeln und Dokumenten des Archivs der Gemeinde mit dem Titel „Beiträge und Quellen zur Geschichte der jüdischen Gemeinde in Augsburg“ herausgekommen. (Verlag IKG Schwaben – Augsburg; gedruckt bei „Aurus Minidruckerei“, Augsburg).
2005 wurde von der Vollversammlung ein Beschluss über die Vorbereitung einer neuen Satzung gefasst, da sich viele Tatsachen des Lebens seit 1960 geändert haben. Nach vielen Streitereien und einer sorgfältigen Erörterung hat im März 2009 die Vollversammlung das neue Statut und die Vorschriften, die die Arbeit der wählbaren Organe der Gemeinde (Vorstand, Revisionskommission, Wahlkommission) bestimmen, angenommen.
Die große Vorarbeit für die Projekte, die das Leben der Gemeinde auf Jahre hinaus bestimmen werden, ist beendet. In erster Linie ist es die Schaffung eines neuen Friedhofes. Unter Berücksichtigung des vorgerückten Alters der Mehrheit der Gemeindemitglieder reichen die freien Plätze auf dem gegenwärtigen Friedhof nicht mehr aus, deshalb wird Ende 2019 bzw. Anfang 2020 der neue jüdische Friedhof in Lechhausen in Betrieb genommen.
In den letzten Jahren zeigen sich immer mehr Mängel an dem Gebäudekomplex, die eine
Generalsanierung erforderlich machen. Die Konzeption für dieses Projekt liegt bereits vor. Es mangelt aber noch an der Gesamtfinanzierung.
Falls Sie einen Beitrag dazu leisten wollen, setzen Sie sich doch gerne mit dem Sekretariat der Gemeinde in Verbindung.
Am 31. Dezember 2019 wurden in der Gemeinde ca. 1400 Mitglieder gezählt. Die Juden beschweren sich nicht selten, sind aber im Inneren Optimisten. Die Zukunft der Gemeinde hängt in erster Linie von ihren Mitgliedern ab. Sie können vieles dazu beitragen, dass in den kommenden Jahren neue Generationen in die Gemeinde kommen, die sich an ihre Verwandtschaft und mit Dankbarkeit an die erinnern, die das prächtige Gebäude, die altertümlichen Friedhöfe und – als das Wesentliche – die Tradition der jüdischen religiösen Gemeinde Schwabens – Augsburg bewahrt haben.
Die 3. Gemeinde existiert nach 1946 offiziell schon über 70 Jahre. In der Stadt Augsburg und der Umgebung wohnen seit mehr als 2000 Jahren Juden. Offiziell existierten jüdische religiöse Gemeinden in der Stadt weniger als 350 Jahre: 1250 bis 1438; 1861 bis 1938; seit 1946.
SCHLUSSBETRACHTUNGEN
Vor zweieinhalbtausend Jahren, zur Zeit der „babylonischen Gefangenschaft“ haben sich die ersten religiösen jüdischen Gemeinden gebildet, welche die Überlebensfähigkeit des Volkes in den kritischen Zeiten gewährleistet haben. Ungeachtet der vielen grausamen und tragischen Prüfungen ist die Gemeinde in Augsburg wieder aufgelebt, hat die Juden der Stadt vereinigt und strebt danach, die Besonderheiten des Volkes zu bewahren.
Nach der jüdischen Tradition ist das wirksamste Gebet ein kollektives, von einem „Minjan“ (mind. 10 Männer). Die Religionslehrer glauben, dass ein gemeinsames Gebet zum Allerhöchsten im Namen der ganzen Gemeinde geschieht und dem Allgemeinwohl dient. Diese Überlieferung aus alter Zeit wird von den vernünftigen und aktiven Gemeindemitgliedern im alltäglichen Leben befolgt. Nur die gemeinsamen, den Kräften angemessenen Beiträge aller bringen die Gemeinde vorwärts und zum Blühen.
Die Jüdische Gemeinde in Augsburg lebt entsprechend des Wortes des Propheten: „… bitte um Frieden für die Stadt, in die ich Sie vertrieben habe, und bete zu G-tt, dass ihnen Wohlstand und Frieden wird.