Dritte Gemeinde (Ab Mai 1946)

Dritte Gemeinde (Ab Mai 1946)

Der Anfang. Am 28. April 1945 ist die 7. amerikanische Infanterie-Division nach Augsburg gekommen. Im Mai 1945 sind die ersten 25 Juden, die früher in Augsburg und der Umgebung gelebt und die Flamme des Holocausts überlebt hatten, zurückgekehrt. Die Mehrheit kam aus dem am 7. Mai befreiten Lager Theresienstadt. Zwei Menschen (Ludwig Frank und Маx Bissinger) haben das schreckliche Auschwitz überlebt. Im Mai 1945 sind aus den befreiten Konzentrationslagern mehr als zwei Dutzenden Juden aus Osteuropa angekommen. Die Rückkehrer besuchten G-ttesdienste, die von gläubigen Juden der amerikanischen Besatzungsarmee abgehalten wurden. Heinz Landman, der mit der amerikanischen Armee nach Augsburg zurückkehrte, beschreibt eines der ersten Gebete: „In der Dunkelheit sah man die kleinen von der amerikanischen Armee gestifteten Tora-Rollen aus Papier. Mit Tränen in den Augen kam ich zum Gebet. Wenn ich am Pult stand, habe ich die verheerenden Folgen der «Kristallnacht» – den vollständig ausgebrannten großen Saal gesehen.“ Später wurden die Gebete im Haus Nummer 14 in der Hallstraße durchgeführt.

Das Dokument von den Wahlen zum ersten Vorstand der „Vereinigung der Juden Augsburgs“ ist auf den 3. Juni 1945 datiert. Nach der Reorganisation, an der auch die Militärverwaltung mitwirkte, ist in der Presse folgende Mitteilung erschienen: „… ehemalige «Jüdische Religiöse Gemeinde Augsburg» hat nach dem 30. Mai 1946 wieder ihre Arbeit im vollen Umfang“ aufgenommen. Dieses Datum kann man als den Anfang der offiziellen Existenz dieser jetzigen, dritten jüdischen religiösen Gemeinde Augsburgs bezeichnen.

Am 12. Januar 1946 haben die Vertreter von 12 Gemeinden Bayerns den Landesverband jüdischer Gemeinden Bayerns gegründet. Zum Landesverband gehörten Gemeinden der Städte Amberg, Augsburg (234 Personen), Bamberg, Bayreuth, Fürth, Hof, München (2462 Personen), Nürnberg (210 Menschen), Passau, Regensburg, Straubing, Weiden, Würzburg. Mehr als 80 % der neuen Gemeindemitglieder wohnten bis zum Krieg in Osteuropa; in der Mehrheit sind sie in den Gemeinden als verschleppte Personen (Displaced Persons – DP) angekommen.

Der Landesverband verhandelte mit den Ämtern, überwachte die Bezahlung der Kirchensteuer und hat das jüdische Arbitragegericht gegründet. Später ist er in den Zentralrat der Juden Deutschlands (ZdJ), der 1950 gegründet wurde und 50 Gemeinden mit 25.000 Mitgliedern vereinigte, übergegangen. Zu dieser Zeit gab es noch ungefähr 10. – 15.000 im Land wohnende Juden, die keiner Gemeinde angehörten. Seit September 1957 kümmerten sich die Friedhofs – und Archivabteilungen des Landesverbandes vertragsgemäß gemeinsam mit der bayerischen Regierung um die herrenlosen geschlossenen Friedhöfe Bayerns.

1946 lebten in der religiösen Gemeinde in der Stadt schon über 100 Menschen. Die liberalen deutschen Juden und die Orthodoxen aus Osteuropa hatten verschiedene Ziele: die deutschen Juden dachten an die Wiedergeburt der Gemeinde, und die osteuropäischen an die kommende Ausreise nach Palästina oder Amerika. (die Massenemigration hat nach dem 31. August 1949 aufgehört.) In der ersten Zeit wurde sogar getrennt gebetet. Zwischen den Gruppen kamen Spannungen auf. Die Zugezogenen waren keine Bürger Deutschlands, deshalb wurden sie auch in den Dokumenten extra registriert.

Einige Nachrichten über das alltägliche Leben unserer Vorgänger geben im Archiv erhalten gebliebene Dokumente der Augsburger Gemeinde. In der Gemeinde wurden regelmäßig G-ttesdienste durchgeführt, es wurden die jüdischen Feiertage begangen. Die Korrespondenz Ende der 40er Jahre ist der Hilfeleistung gewidmet. 3, 5, hin und wieder 10 oder mehr Mark. Einmal im Monat bekam jeder vierte aus dem Bestand der Gemeinde Lebensmittel (einige Konserven, ein wenig Kaffee, Mehl, Milchpulver).

1958 kam nach dem Tod seiner Mutter der legendäre Mietek Pemper aus Polen in die Stadt und wurde ein Gemeindemitglied. Er war einer der Verfasser der „Schindler-Liste“. Mit eigener Hand hat er am 18. April 1945 die letzte Liste geschrieben, die etwa 1200 Juden rettete, was damals noch nicht allgemein bekannt war. Herr Pemper ist Ehrenbürger der Stadt Augsburg, Träger des Bundesverdienstkreuzes und vieler weiterer Auszeichnungen und Ehrentitel. Wenn es seine Gesundheit erlaubte, kamm er zu den Gebeten und zu Feiertagen in die Synagoge und nahm, soweit es ihm seine Kräfte erlaubten, aktiv am Gemeindeleben teil. Er verstarb im Juni 2011.

Anfang 1960 ist die Familie von Herrn Friedman nach Deutschland zurückgekehrt. Sein Vater war ein jahrelanges Mitglied des Vorstands der Gemeinde vor dem Weltkrieg. Im März 1939 begingen seine Eltern Selbstmord, um der Deportation nach Auschwitz zu entgehen. Friedrich Friedman ist schon 1933 nach einer kurzen Inhaftierung nach Italien ausgereist. Von dort nach England und nach 1940 in die USA, wo er lehrte und zu einer Berühmtheit auf dem Gebiet der Soziologie wurde. Nach seiner Rückkehr arbeitete der Professor, Doktor der Wissenschaften verschiedener Richtungen, Ehrendoktor einiger Universitäten und Träger des Bundesverdienstkreuzes an der Universität München und war bis zu seinem Ableben im Januar 2008 eines der ältesten Mitglieder der Gemeinde Schwaben-Augsburg. Ein Gemeindemitglied ist seine Tochter Mirjam.

1950 ist Herr Spokojny, der 1923 in Polen geboren wurde und das Konzentrationslager Buchenwald überlebt hat, nach Augsburg gekommen. In Augsburg hat er einen Textil-Großhandel, der ein großes Sortiment an modischen Produkten und an Feinwäsche anbot, gegründet. In seiner Firma JUSSY arbeiteten bis zu 500 Menschen. Julius wurde sofort Gemeindemitglied und hat im ersten Jahr in der Gemeinde den Kindergarten und die Religionsschule gegründet. Er hat sich in den Konflikt zwischen den Gruppen der Gläubigen aktiv eingemischt und gleiche Rechte auch für die Neuankömmlinge erreicht. Ab 1950 war er zweiter Vorsitzender, und ab 1965 Vorsitzender des Gemeindevorstandes. Ab 1956 wurde er Mitglied des Präsidiums, ab 1960 Vizepräsident, und ab 1974 Präsident des Landesverbandes jüdischer Gemeinden Bayerns. 1979 fand im Festsaal der Synagoge die Sitzung des Zentralrates der Juden in Deutschland statt, dessen Mitglied Julius Spokojny seit 1973 war. Unter ihm wurde am 23. Mai 1960 das bis 2009 gültige Statut der Gemeinde angenommen. Dies war der Beginn der „Israelitischen Kultusgemeinde Schwaben-Augsburg“.

1962 zählte die Gemeinde 234 Mitglieder und 44 Kinder.